Digitale Barrierefreiheit - Rechtliche Grundlagen
Richtlinien und Verordnungen
Im Zusammenhang mit digitaler Barrierefreiheit sind unter anderem folgende Richtlinien, Verordnungen und Gesetze relevant.
BITV 2.0
In Deutschland wird der barrierefreie Zugang durch die BITV (Barrierefreie Informationstechnik Verordnung) im Rahmen des BGG (Behindertengleichstellungsgesetz) geregelt. Sie basiert auf den internationalen Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) und regelt die Zugänglichkeit von Informationen und Kommunikation.
Im Mai 2019 wurde die BITV 2.0 geändert, um die Vorgaben der Richtlinie (EU) 2016/2102 umzusetzen. Die Versionsnummer blieb jedoch unverändert.
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Sie gilt für Websites, Apps (auch intern genutzte Apps), Intranets, Extranets und elektronische Verwaltungsabläufe (bis 23. Juni 2021). Damit gibt es keine Unterscheidung mehr zwischen Internet und Intranet oder öffentlich und nicht-öffentlich zugänglichen Webseiten und Anwendungen.
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Die BITV geht über die Forderungen der EU-Richtlinie in einigen Bereichen hinaus:
Zentrale Navigations- und Einstiegsangebote sowie Formulare und andere interaktive Prozesse auf Websites sollen ein noch höheres Maß an Barrierefreiheit erfüllen (vgl.§ 3 Absatz 4). Dieser höhere Standard könnte dem Level AAA der Web Content Accessibility Guidelines WCAG) 2.1 entsprechen. Zudem müssen bspw. die wesentlichen Inhalte einer Seite in Leichter Sprache und Gebärdensprache bereit gestellt werden. -
Für öffentliche Stellen von Bundesländern und Kommunen wird die digitale Barrierefreiheit ggf. noch über länderspezifische Verordnungen geregelt, bspw. für das Bundesland Bayern durch die BayEGovV (Bayerische E-Government-Verordnung).
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Erklärung der Barrierefreiheit
Jede Website öffentlicher Stellen benötigt diese Erklärung. Webseiten müssen diese bereits seit dem 23.09.2019 bereitstellen, mobile Anwendungen seit dem 23. Juni 2021. Die Erklärung muss auf Websites von jeder einzelnen Seite aus erreichbar sein, vergleichbar mit dem Datenschutz-Link, der durch die DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) notwendig geworden ist.Wichtigster Bestandteil ist die Auskunft über den Status der Barrierefreiheit oder über ggf. noch vorhandene Barrieren. Falls Barrieren vorhanden sind, sollte in der Erklärung genannt werden, wann diese voraussichtlich behoben werden. Weiterhin ist die Erklärung zur Barrierefreiheit stets aktuell zu halten. Entweder jährlich oder bei wesentlichen Änderungen. Auch ein Feedback-Mechanismus ist in die Erklärung zur Barrierefreiheit zu integrieren, damit Nutzer die Möglichkeit haben, direkt Kontakt zur öffentlichen Stelle aufnehmen zu können (EU-Mustererklärung der Barrierefreiheit 2018/1523).
WCAG 2.1
Die internationalen Richtlinien für Barrierefreiheit WCAG (Web Content Accessibility Guidelines) werden durch das W3C (World Wide Web Consortium) geregelt. Im Juni 2018 wurden die WCAG 2.1 als W3C Recommendation (Web Standard) veröffentlicht. Die einzelnen Prüfschritte besitzen drei verschiedene Prioritäten (A, AA, AAA).
EN 301 549
Die EN 301 549 ist eine europäische Norm mit dem Titel "Accessibility requirements for ICT products and services". Sie legt Anforderungen für die Zugänglichkeit von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)-Produkten und -Dienstleistungen fest.
Sie bildet die Grundlage für verschiedene nationale Vorschriften in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, darunter auch die Richtlinie (EU) 2016/2102 über den barrierefreien Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen.
Richtlinie (EU) 2016/2102
Die Richtlinie (EU) 2016/2102 beruht auf den Anforderungen der Norm EN 301 549 und stellt sicher, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigten Zugang zu digitalen Inhalten und Dienstleistungen öffentlicher Stellen haben..
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In jedem Land bzw. Bundesland wurden Überwachungsstellen eingerichtet, die regelmäßig in Stichproben die Umsetzung der Richtlinie verfolgen. Ist eine Website für einen Nutzer nicht zugänglich kann er sich an die zuständige Überwachungsstelle wenden. Für den Bereich des Bundes wurde die Bundesfachstelle Barrierefreiheit als Überwachungsstelle festgelegt.
In den einzelnen Bundesländern sind die Überwachungsstellen unterschiedlichen Behörden zugeordnet (bspw. in Bayern Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung, in Baden-Württemberg bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg).
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Der Mindeststandard laut Artikel 6 entspricht den WCAG 2.1 Level AA, die in der EN 301 549 V3.1.1, einer europaweit gültigen Standardnormierung als europäisch harmonisierter Standard festgelegt wurde (Durchführungsbeschluss (EU) 2021/1339 vom 11. August 2021).
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz wurde am 20.05.2021 vom Bundestag beschlossen und damit der sogenannte „European Accessibility Act“ (EAA) bzw. die Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen in Deutschland umsetzt.
Mit diesem Gesetz wird in Deutschland erstmals auch die Privatwirtschaft zu Barrierefreiheit verpflichtet, bestimmte Produkte und Dienstleistungen, die nach dem 28. Juni 2025 in den Verkehr gebracht werden, barrierefrei zu gestalten.
Genannt werden z.B. nachfolgende Produkte
- Hardwaresysteme für Universalrechner für Verbraucher einschließlich Betriebssysteme
- Selbstbedienungsterminals: Geldautomaten, Fahrausweisautomaten, Check-in-Automaten
- interaktive Selbstbedienungsterminals zur Bereitstellung von Informationen, mit Ausnahme von Terminals, die als integrierte Bestandteile von Fahrzeugen, Luftfahrzeugen, Schiffen oder Schienenfahrzeugen eingebaut sind
- E-Book-Lesegeräte
- Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang, die für Telekommunikationsdienste oder für den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten verwendet werden
und z.B. nachfolgende Dienstleistungen
- Webseiten und mobile Anwendungen von Personenbeförderungsdiensten im Luft-, Bus-, Schienen- und Schiffsverkehr (außer bei Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdiensten)
- Bankdienstleistungen für Verbraucher
- E-Books und hierfür bestimmte Software
- Software Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr.